Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung

Vorbemerkung

Geschwindigkeitsüberwachung

Richtlinien Geschwindigkeitsüberwachung

Inhalt der Richtlinien

Auswahl der Messstellen

Entfernung

Ausbildung

Einsatz Privater

Anhalterecht


Überwachungsfallen

Toleranzen

Geschwindigkeitstoleranzen

Fehlertoleranzen

Messfehler/Presse

Überwachung der Überwachung

Vorbemerkung

Wetter und Sicht gut. Die Straße vor Ihnen leer und übersichtlich. Weit und breit keine Schule, Spielplatz, Kindergarten, Seniorenheim oder ähnliches in Sicht. Sie fahren zwischen Arbeit und Wohnung. Und plötzlich, ein rotes Blitzlicht erhellt die Windschutzscheibe. Wochen später findet sich eine Nachricht der Bußgeldstelle im Briefkasten. Höflich aber bestimmt wird für die unfreiwillige Ablichtung Ihres Profils und für die dortigen Akten darum gebeten, einen kleinen Obolus an die Stadtkasse zu zahlen.

 

Wenn Ihnen diese Situation unbekannt ist oder wenn Sie der Meinung sind, dass dies gerade recht so ist, dann sollten Sie in den Sportteil Ihrer Tageszeitung weiter wechseln. Ansonsten .....

Geschwindigkeitsüberwachung

Die Komplexität des modernen Straßenverkehrs erfordert möglichst umfassende Verkehrsregelungen und ebenso intensive wie auch effektive Kontrollen zu deren Einhaltung. Hierzu zählt auch die Geschwindigkeitsüberwachung.

 

Geschwindigkeitsüberwachung dient dem Ziel, Verkehrsunfälle zu reduzieren und Unfallfolgen zu mindern. Die Verhütung schwerer Unfälle und damit der Schutz für Leben und Gesundheit (Minderung der Unfallfolgen) steht dabei im Vordergrund.

 

Mit dem Ziel, die Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr an Gefahrenstellen zu überwachen, ist der Einsatz stationärer und mobiler Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte vorgesehen.

 

Häufig wird allerdings vermutet, dass diese Angelegenheit mehr nach Budgetgesichtspunkten denn nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ausgerichtet sei.

 

Dass diese Vermutung nicht jeglicher Grundlage entbehrt, basiert halt auf der Tatsache, dass diese Art der Verkehrsüberwachung nach den gesetzlichen Bestimmungen der Bundesländer nicht nur der Polizei, sondern auch den Kommunen übertragen ist. Dass diese Vermutung weiter noch dadurch genährt wird basiert darauf, dass die Kommune hier echt kassiert, d.h. den geldwerten Ertrag der Überwachung in den eigenen Haushalt einfließen lassen kann.

Richtlinien für die Geschwindigkeitsüberwachung



Maßnahmen der Verkehrsüberwachung dürfen nicht mit negativen Vorstellungen, wie z.B. der Vermutung der fiskalischen Ausrichtung, belastet werden. Die zuständigen Ministerien der Bundesländer schufen deshalb ministerielle Richtlinien (Erlasse) mit diversen verwaltungsinterne Befolgungsbefehlen, gerichtet an die Adresse der Ordnungsbehörden (Polizei, Kommune), damit die Fragen des Ob und Wie in geordneten Bahnen beantwortet werden.

 

Maßnahmen der Verkehrsüberwachung sollen transparent werden. Dem liegt die Einsicht zu Grunde, dass nur Transparenz auch für die erforderliche Einsicht bei den Verkehrsteilnehmern für die Notwendigkeit von Verkehrsüberwachungsmaßnahmen stärkt.

 

Dazu gehört auch (auf beiden Seiten) die Einsicht, dass ein Verkehrsverstoß in X-Stadt nicht gnadenlos verfolgt wird, während der gleiche Verkehrsverstoß in Y-Stadt unter Berücksichtigung von Toleranzen nicht oder weniger scharf geahndet werden kann.

 

Bedenkt man vom Ergebnis her, dass bereits ein einziger Stundenkilometer darüber entscheiden kann, ob ein Autofahrer für einen Monat zu Fuß geht oder schlimmstenfalls dessen berufliches oder existenzielles Dasein gefährdet wird, so leuchtet unmittelbar ein, mit welchem Grad von Akzeptanzansprüchen die Verkehrsüberwachung die Bevölkerung konfrontiert.

 

Das Land Baden-Württemberg hat dieses Anliegen mit Erlassen aus den Jahren 1980 und 1997 in die Tat umgesetzt (wie viele andere Bundesländer eben auch) und damit einen Beitrag zur Rechtssicherheitsgestaltung im Kreis der betroffenen Bürger geschaffen. Diese Erlasse haben bis auf den heutigen Tag Gültigkeit.

Inhalt der Richtlinien

Diese Richtlinie befassen sich im Wesentlichen mit:

-         der Auswahl der Messstellen

-         der Entfernung zu Geschwindigkeitsbegrenzungen

-         der Ausbildung des Messpersonals

-         dem Einsatz von privatem Messpersonal

-         dem Anhalterecht

Auswahl der Messstellen

Als Kriterien sind ausdrücklich festgeschrieben: (positiv) Aspekte der Verkehrssicherheit; (negativ) keine fiskalischen Erwägungen. Als weitere Kriterien für die Auswahl sind festgeschrieben: Unfallschwerpunkte, gefahrenträchtige Stellen, schutzwürdige Straßenabschnitte (z.B. Schulen, Kindergärten u. Altenheime).

Entfernung

Der Mindestabstand wird mit 150m bezeichnet, kann aber in begründeten Fällen unterschritten werden, z.B. bei Gefahrenstellen, Gefahrenzeichen, Geschwindigkeitstrichtern. Unter Geschwindigkeitstrichtern wird die stufenweise Herabsetzung der höchstzulässigen Geschwindigkeit bis zur Ziel-Höchstgeschwindigkeit verstanden. Hierbei ist eine genaue Dokumentationspflicht angesagt, vornehmlich bei automatischen Verkehrsregelungssystemen (z.B. auf der Bundesstraße 27 allgemein bekannt, in Höhe Bernhausen).

Ausbildung

Das Messpersonal hat sich Ausbildungs- und Fortbildungsmaßnahmen zu unterziehen, die sich an den Herstellerrichtlinien und den Bedienungsanweisungen ausrichten und die Teilnahme hieran zu dokumentieren.

Einsatz Privater

Private Unternehmer, d.h. Firmen die den Bußgeldstellen ihre Dienste gegen Entgelt anbieten, sind nicht zugelassen. Soweit auf die Dienstleistung Privater zugegriffen wird, ist der wesentliche Messvorgang zumindest durch ein verantwortliches behördliches Personal zu überwachen.

Anhalterecht

Außer den Beamten des Landespolizeidienstes ist den Bediensten der Bußgeldstelle kein Anhalterecht eingeräumt. Die Befugnisse des kommunalen Messpersonals beschränken sich allein auf die Beweisdokumentation.

Überwachungsfallen

Welche Wirkung der graue „Blechpolizist“ auf den fließenden Verkehr hat, kann jedermann selbst erfahren, sobald am Straßenverkehr teilgenommen wird. Ob der „Blechpolizist“ gerade Urlaub hat oder, wie dies umgangssprachlich ausgedrückt wird, „die Kamera scharf ist“, hat vergleichsweise keine unterschiedliche Auswirkung auf die Beachtung der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit.

 

Die wichtigste Erkenntnis dabei ist wohl die, dass in der Regel auswärtige Verkehrsteilnehmer in diese „Blitz-Falle“ geraten, denn die Rechtsprechung (so z.B. das Oberlandesgericht Stuttgart, VRS 59, 251, 253) erwartet von jedem/jeder Verkehrsteilnehmer(in), dass am Beginn einer erkennbaren Geschwindigkeitsbegrenzung, d.h. beim Passieren eines solchen Verkehrsschildes bereits die vorgeschriebene Geschwindigkeit eingehalten wird. Dies ist dem/der Ortskundigen ja bekannt. Er/Sie kann sich im Gegensatz zum ortsunkundigen Verkehrsteilnehmer auch rechtzeitig hierauf einrichten.

 

Neben diesen stationären Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen kommen aber auch mobile Anlagen zum Einsatz, die den Verkehrsteilnehmern –bereits weither sichtbar- ihre gerade gefahrene Geschwindigkeit signalisieren.

 

Der Überwachungseffekt ist auch hier deutlich sichtbar; lediglich die Nachhaltigkeit des Effektes steht in Frage; denn über eine Tachometeranzeige verfügt ja jedes Fahrzeug. Lediglich der psychologische Faktor schlägt sich bei den nachdenklichen Autofahrern nieder („verdammt, ertappt“).

 

Aber auch den ignorantischen Autofahrern, d.h. diejenigen mit der Quasselstrippe am Ohr, schlägt der psychologische Faktor auf das Bremspedal. Gerade dieses Beispiel zeigt, dass das Anliegen der Verkehrsüberwachung geradewegs (schon) auf diesem Wege erfüllt werden könnte (Verkehrsunfälle zu reduzieren und Unfallfolgen zu mindern). Vielleicht hat dieser Vorgang das Leben oder die Gesundheit eines Kindergartenkindes gerettet.

 

Frage somit: Braucht es Überwachungsfallen ?

 

Diese Frage hat zwei Antworten. Einerseits : Nein, andererseits : Ja.

 

Zur Verneinung: Die Richtlinien erteilen hierzu eine Abfuhr, wenn es darum geht, auf den Straßen marzialistische „Gefechtsbühnen“ zu veranstalten (z.B.: Tarnung durch Auflegen von Ästen und Zweigen auf den Kamerablock). Derartiges lässt sich mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip nicht vereinbaren, weil die Gefahr durch die hierdurch verursachte Ablenkung der Verkehrsteilnehmer diejenige übersteigt, welche verhindert werden soll. Hinzutritt der weitere Faktor, der bereits eingangs beschrieben wurde, nämlich die Stärkung des Verdachts, dass nur aus fiskalischen Erwägungen kontrolliert („gejagt“) wird und weniger wegen der Ermittlung von sogenannten „Rasern“ (wo sonst, als auf der Jagd, tarnt sich der Jäger vor seiner Beute ?).

 

Zur Bejahung: Die Überwachung bedarf auch der Reaktion. Weil offenbar erst die Folge, nämlich der Zugriff auf den Geldbeutel zeigt, dass sich hierdurch die Einsicht zur Geschwindigkeitseinhaltung nährt. Genau dies ist halt bei den netten Digitalanzeigen am Straßenrand nicht der Fall und der psychologische Faktor bereits an der nächsten Straßenecke verblasst.

 

Deshalb muss auch hinter dem Überwachungsgerät ein menschliches Wesen stehen, welches den Vorgang dokumentiert und sein derart gewonnenes Wissen an die Bußgeldstelle weitergibt und sich dabei an die gesetzlichen Vorgaben hält.

 

Dies zeigt, dass hier Ermessensfragen eine Rolle spielen werden, und dabei eben auch die Frage nach Toleranzen.

Toleranzen

Das Messgerät signalisiert dem Messpersonal eine Geschwindigkeitsüberschreitung, um z.B. einen Stundenkilometer. Ein klarer Fall: Gegen das Geschwindigkeitsgebot wurde verstoßen ! Ein Bußgeld muss her ?

 

Die Gesetzesanwendung und die Rechtsgrundlagen, auf die die Aktivitäten der Bußgeldbehörden gestützt werden, haben keineswegs einen Bußgeldzwang vorgesehen, wenn es um die Ahndung von Verstößen gegen die Geschwindigkeitsanordnungen geht.

 

Die Bußgeldbehörden leiten die Legitimation für ihr Handeln und damit auch für die Verhängung von Geldbußen wegen Verkehrsverstößen, von den Bestimmungen des Straßenverkehrsgesetzes (.-StVG-.) ab.

 

§ 24 Abs. (2) StVG besagt aber ausdrücklich, dass die Ordnungswidrigkeit (im Sinne dieser Vorschriften) mit einer Geldbuße geahndet werden kann.

 

Mit dem Begriff „kann“ wird aber ausnahmslos der juristische Begriff „Ermessen“ verbunden. Die Bußgeldbehörde muss also, will sie dem Gesetzesbefehl gerecht werden, sämtliche Belange des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägung bewerten. Erst wenn sie dieses sachgerecht vorgenommen hat, kann ein Bußgeldbescheid erlassen werden.

 

Ob eine Behörde ihr Ermessen in die eine oder andere Richtung ausüben will, kann ihr grundsätzlich niemand vorschreiben. Lediglich die Frage, ob die Behörde sich innerhalb des ihr eingeräumten Ermessens bewegt hat oder ob ein Fehlgebrauch des eingeräumten Ermessens vorliegt, ist später der richterlichen Kontrolle unterworfen.

 

Es besteht aber darin Einigkeit, dass die ministeriellen Richtlinien zur Geschwindigkeitsüberwachung, da wo sie hierfür Regeln aufstellen, den Ermessensgebrauch der Bußgeldbehörden binden.

Geschwindigkeitstoleranzen

Das Anliegen der Verkehrsüberwachung, nämlich Verkehrsunfälle zu reduzieren und Unfallfolgen zu mindern, ist bekanntlich das Maß der Dinge. Wird dieses Maß aus den Augen verloren, so verliert sich auch die Toleranzbereitschaft in den Augen der Verkehrsteilnehmer.

 

In der eingangs beschriebenen Situation (freie Straße, freie Sicht, etc.) lassen sich schon nicht die von den Richtlinien aufgestellten Kriterien begreifen (Unfallschwerpunkte, gefahrenträchtige Stellen, schutzwürdige Straßenabschnitte, z.B. Schulen, Kindergärten u. Altenheime).

 

Wenn sich dort aber schon nicht ohne Weiteres einsehbar macht, weshalb überhaupt gemessen wurde, so fragt sich doch zumindest, nach welchen weiteren Kriterien die festgestellte Geschwindigkeitsüberschreitung zur Ahndung herangezogen werden soll.

 

Muss die Kamera schon bei 5 km/h über scharf gestellt sein ? Wie hoch ist die Geschwindigkeitsbeschränkung an sich ? Liegen konkret sichtbare Gefährdungselemente vor, d.h. genau in dem Zeitpunkt der Messung ?

Fehlertoleranzen

Es ist eine alte Mär; Material wie Mensch sind fehleranfällig. Die etwas jüngere Mär ist die, dass der Fehler eines technischen Geräts immer zwischen Rücklehne und Bildschirm / Bedienelement säße.

 

Auch wenn die Richtlinien mancher Bundesländer hierzu keine Vorgaben enthalten, so hat sich in der Rechtsprechung bei der Auswertung der Messergebnisse die Regel herausgebildet, dass in jedem Falle für derartige Unwägbarkeiten Toleranzabzüge zu berücksichtigen sind (3 km/h bzw. 3% des Messwertes).

 

Die Praxis zeigt, dass trotz technisch hochwertiger Gerätschaft beim Einsatz dieser Geräte Fehler auftreten können und wenn diese auch nur durch die fehlerhafte Bedienung des Messpersonals ausgelöst sind.

 

Hier gilt der Grundsatz: jedes Gerät bzw. Fabrikat hat seine eigenen Grundsätze und Besonderheiten. Besonders zu erwähnen sind die mit zunehmender Tendenz immer weiter verbreiteten Laser-Messgeräte, die bis dato immer noch nicht über Dokumentationsmechanismen verfügen und letztlich mittels archaischer Hand- zu Papierübertragung des Messbeamten dokumentiert und ausgewertet werden.

 

Nicht ohne anekdotischen Wert sind in diesem Zusammenhang die Fälle gemessener Radfahrer, welche mit Rennfahrergeschwindigkeit eines Formel-1- Rennwagens gemessen werden konnten. Es gäbe viele Beispiele mehr zu erwähnen, die sich aber in diesem Rahmen nicht detailliert darstellen lassen.

Messfehler/Presse

Dass Messfehler auch von den Ermittlungsbehörden zur Kenntnis genommen werden (wenn auch gelegentlich erst durch das gerichtliche Überprüfungsverfahren initiiert), zeigt ein Pressebericht vom 20.12.2006

Überwachung der Überwachung

Unsere Kanzlei arbeitet auf dem Gebiet der Auswertung von Messergebnissen der Geschwindigkeitsüberwachung mit namhaften Sachverständigenbüros und mit namhaften Kollegen in einer Interessengemeinschaft zusammen, welche sich u.a. zur Aufgabe gemacht hat, durch gemeinsame, flächendeckende Fort- und Weiterbildung die Ergebnisse der Verkehrsüberwachung zu kontrollieren.

 

Der betroffene Verkehrsteilnehmer muss das Gefühl erlangen können, der Ohnmacht gegenüber einem Apparat wenigstens dadurch etwas entgegen zu stellen, dass ihm Klarheit über die gegen ihn gerichtete Vorgehensweise vermittelt werden kann.

 

Dieser Beitrag versteht sich somit auch vor dem mit den Richtlinien ins Auge gefassten Ziel, nämlich die Maßnahmen der Verkehrsüberwachung transparent werden zu lassen.

 

Mit diesem Beitrag soll auch Bewusstsein im Kreis der betroffenen Verkehrsteilnehmer geschaffen werden. Es ist daher beabsichtigt, auf einer weiteren Seite unserer Homepage künftig Daten und Bilder zu veröffentlichen, die die Messstellen darstellen und ferner die zum Einsatz gebrachte Messgerätschaft (Pkw, Transporter, etc.).

 

Für Fragen hierzu und Uploads von Bildmaterial (nur pdf.format) steht Ihnen unsere Kanzlei auch über das Internet zur Verfügung:

 

mailto:kanzlei(at)witopil.info

 

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